Welches Mitbestimmungsrecht hat der Betriebsrat bei der Straftataufklärung im Betrieb?

Mitbestimmung des Betriebsrats bei standardisierten Fragebögen
Die Aufklärung von Straftaten innerhalb eines Unternehmens stellt Arbeitgeber vor schwierige Entscheidungen. Eine zentrale Frage ist, ob und in welchem Umfang Mitarbeiter systematisch zu Verdachtsfällen befragt werden dürfen. Der Betriebsrat hat bei solchen Befragungen ein Mitbestimmungsrecht. Ein aktuelles Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG Niedersachsen 1.10.2024 – 11 TaBV 19/24) gibt dazu eine wichtige Orientierung.
Hintergrund des Urteils
Ein Unternehmen nutzte Videoaufnahmen, um einem Diebstahlsverdacht nachzugehen. Im Zuge der internen Ermittlungen wurden 189 Mitarbeiter mit einem Fragebogen von bis zu 150 Fragen befragt – im Beisein von Betriebsratsmitgliedern. Der Betriebsrat verlangte die Unterlassung solcher Fragenkataloge ohne seine Zustimmung und die Vernichtung bereits ausgefüllter Bögen. Das Arbeitsgericht gab ihm zunächst Recht, das LAG schränkte den Unterlassungsanspruch jedoch auf bestimmte Fragen ein.
Wie begründet das LAG seine Entscheidung?
Das LAG entschied, dass das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus § 94 Abs. 1 BetrVG folgt. Standardisierte Fragebögen, die Rückschlüsse auf die persönliche Eignung der Mitarbeiter für ihre Tätigkeit zulassen, dürfen nur mit Zustimmung des Betriebsrats genutzt werden. Dies betrifft insbesondere Fragen zur eigenen Beteiligung an Straftaten oder zu Verdachtsmomenten gegen Kollegen. Ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 und §75 BetrVG wurde vom Gericht verneint.
Keine Mitbestimmung nach §87 und §75, aber nach §94
Ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG wurde vom Gericht verneint, da diese Vorschrift das allgemeine Ordnungs- und Verhaltensreglement im Betrieb betrifft. Während Arbeitgeber die Teilnahme an Befragungen anordnen können, betrifft § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG nicht den konkreten Inhalt der Fragen. Ebenso wenig griff § 75 BetrVG, da diese Norm den Schutz der Persönlichkeitsrechte der Beschäftigten regelt, aber keinen eigenständigen Anspruch auf Unterlassung von Befragungen gewährt.
Laut dem Beschluss ist die Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 94 Abs. 1 BetrVG erforderlich, wenn der Arbeitgeber im Rahmen der Aufklärung von Straftaten im Betrieb einen standardisierten Fragebogen verwendet, der personenbezogene Verhaltensfragen beinhaltet und objektive Rückschlüsse auf die Eignung der Beschäftigten ermöglicht.
Das Gericht stellte klar, dass nur Fragen mit Rückschlüssen auf die persönliche Eignung der Arbeitnehmer für ihre Tätigkeit der Mitbestimmung unterliegen.
Konsequenzen für Arbeitgeber
Arbeitgeber sollten bei der Aufklärung betrieblicher Straftaten vorsichtig vorgehen. Die Standardisierung von Ermittlungsverfahren kann zwar effizient sein, erfordert aber die Zustimmung des Betriebsrats, wenn sie auf die persönliche Eignung der Mitarbeiter schließen lassen. Alternativ bleibt die individuelle Befragung, die dem Mitbestimmungsrecht nicht unterliegt.