Darf der Arbeitgeber mich fragen, ob ich geimpft bin?
Bereits seit mehreren Wochen wird heftig darüber gestritten, ob der Arbeitgeber den Impfstatus seiner Arbeitnehmer abfragen darf oder nicht.
Welche Argumente sprechen für ein Fragerecht – welche Argumente dagegen?
Für die Gegner verletzt die Frage das Persönlichkeitsrecht der Beschäftigten. Die Befürworter argumentieren, dass anders ein effektiver Gesundheitsschutz im Betrieb nicht möglich ist. Rechtlich sind die Interessen des Arbeitnehmers und des Arbeitgebers gegeneinander abzuwägen. Auf der einen Seite steht das Recht auf informelle Selbstbestimmung des Arbeitnehmers, auf der anderen das Interesse des Arbeitgebers an der Sicherstellung eines konsequenten betrieblichen Gesundheitsschutzes in Ausübung seiner arbeitgeberseitigen Fürsorgepflicht.
Warum wird die Diskussion so vehement geführt?
Die Diskussion wird besonders hitzig geführt, weil es sich bei dem Impfstatus um besonders geschützte Gesundheitsdaten im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Datenschutz-Grundverordnung handelt, deren Verarbeitung gemäß Art. 88 DS-GVO in Verbindung mit § 26 Abs. 3 S. 1 BDSG nur zulässig ist, wenn sie zur Ausübung von Rechten oder zur Erfüllung rechtlicher Pflichten aus dem Arbeitsrecht, dem Recht der sozialen Sicherheit und des Sozialschutzes erforderlich ist und kein Grund zu der Annahme besteht, dass das schutzwürdige Interesse der betroffenen Personen an dem Ausschluss der Verarbeitung überwiegt.
Welche Meinung vertritt der Bundesgesundheitsminister?
Bundesgesundheitsminister Spahn hatte Ende August 2021 sich in einer TV-Talkshow für ein solches Fragerecht ausgesprochen.
Was hat das Bundesarbeitsgericht in der Vergangenheit entschieden?
In einer Entscheidung aus dem Jahre 2012 hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass der Arbeitgeber im Rahmen einer Bewerbung ein berechtigtes, billigenswertes und schutzwürdiges Interesse an der Beantwortung seiner Fragen bzw. der Informationsbeschaffung im Hinblick auf die Begründung des Arbeitsverhältnisses hat und das Interesse des Arbeitnehmers an der Geheimhaltung seiner Daten das Interesse des Arbeitgebers an der Erhebung dieser Daten nicht überwiegt, vergleiche Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 15. November 2021 Az.: 6 AZR 339/11.
Was war bisher gesetzlich geregelt?
Bisheriges Fragerecht bestand gemäß § § 23a, 23 Abs. 3 IFSG nur für Krankenhäuser und ähnliche Einrichtungen, die den im Status verarbeiten durften, um über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder über die Art und Weise einer Beschäftigung zu entscheiden.
Gibt es eine neue gesetzliche Regelung?
Aktuell hat der Bundestag am 7.9.2022 ein zeitlich und auf bestimmte branchenbeschränktes Fragerecht des Arbeitgebers nach dem Impfstatus von Arbeitnehmern im Infektionsschutzgesetzes (IFSG) geregelt.
Wie lautet die neue gesetzliche Regelung?
„Sofern der Deutsche Bundestag nach § 5 Abs. 1 S. 1 eine epidemische Lage von nationaler Tragweite festgestellt hat und soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) erforderlich ist, darf der Arbeitgeber in den in den Absätzen 1 und 2 genannten Einrichtungen und Unternehmen personenbezogene Daten eines Beschäftigten über dessen Impf- und Serostatus in Bezug auf die Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) verarbeiten, um über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder über die Art und Weise einer Beschäftigung zu entscheiden. Im Übrigen gelten die Bestimmungen des allgemeinen Datenschutzrechts.“
Für welche Einrichtungen gilt dies?
Die Vorschrift verweist auf die in den §§ 36 Abs. 2, 33 IFSG genannten Einrichtungen und Unternehmen:
- Kindertageseinrichtungen und Kinderhorte,
- Einrichtungen der Kindertagespflege,
- Schulen und sonstige Ausbildungseinrichtungen,
- Heime und Ferienlager
Welche weiteren Voraussetzungen müssen erfüllt sein?
Der Gesetzgeber führt weiter aus:
„Der Arbeitgeber kann diese Daten nur verarbeiten, wenn und soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) erforderlich ist. Die Vorschrift ist an § 23a angelehnt, der eine ähnliche Regelung in Bezug auf die in § 23 Absatz 3 genannten Einrichtungen trifft. Gerade in den in § 36 Absatz 1 und 2 genannten Einrichtungen und Unternehmen, in denen besonders vulnerable Personengruppen betreut werden oder untergebracht sind beziehungsweise aufgrund der räumlichen Nähe zahlreiche Menschen einem Infektionsrisiko ausgesetzt sind, kann im Interesse des Infektionsschutzes die Erforderlichkeit bestehen, Beschäftigte hinsichtlich ihres Impf- und Serostatus in Bezug auf die Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) unterschiedlich einzusetzen oder von einer Beschäftigung ungeimpfter Personen (in bestimmten Bereichen) abzusehen. Damit können die Arbeitgeber die Arbeitsorganisation so ausgestalten, dass ein sachgerechter Einsatz des Personals möglich ist und ggfs. entsprechende Hygienemaßnahmen treffen. Die Bestimmungen des Arbeitsschutzrechts bleiben von der vorliegenden Regelung unberührt. Der Arbeitgeber kann, wenn und soweit dies zur Verhinderung Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) erforderlich, vom Beschäftigten Auskunft oder die Vorlage eines Nachweises über das Bestehen eines Impfschutzes oder das Bestehen einer natürlichen Immunität in Bezug auf dieCoronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) verlangen. Die Daten sind direkt beim Beschäftigten zu erheben. Die Freiwilligkeit der Entscheidung über die Inanspruchnahme von Impfschutz bleibt unberührt.“
Dürfen Arbeitgeber deshalb in anderen Branchen nicht nach dem Impfstatus fragen?
Doch. Auch in anderen Branchen kann der Arbeitgeber den Impfstatus erfragen, wenn das berechtigte Interesse des Arbeitgebers gemäß Art. 88 DS-GVO, § 26 Abs. 3 BDSG gegeben ist.
Welche Konsequenzen drohen mir, wenn ich mich weigere?
Beantworten Arbeitnehmer die berechtigte Frage nach ihrem Impfstatus fehlerhaft oder gar nicht, verhalten sie sich vertragswidrig. Gegebenenfalls droht eine Abmahnung und im Wiederholungsfall eine Kündigung.
Kann der Arbeitgeber einen Nachweis zu meinem Impfstatus verlangen?
Ja, auch wenn der Arbeitgeber nicht daran zweifelt, dass der Arbeitnehmer die Wahrheit sagt, ist er berechtigt, er einen entsprechenden Nachweis zu verlangen.
Hat der Betriebsrat Beteiligungsrechte?
Gibt es ein Betriebsrat, hat der Arbeitgeber seine Mitbestimmungsrechte zu beachten. Bei der generellen Abfrage des Impfstatus ist der Betriebsrat gemäß § 94 bzw. § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG zu beteiligen.